Wednesday, 2 October 2013

Pferde und Master



Es ist Herbst. Die Blätter fallen von den Bäumen, Kinder schreiben die ersten Klassenarbeiten, Menschen beginnen über das Wetter zu fluchen, Reisebüros verzeichnen steigende Anfragen an Reisen nach Australien und ich bin ein Landwirt geworden. Ein Farmer – so klingt es weltläufiger. Ich werde zu einem Landwirt werden, wenn ich endlich anfange, etwas mit den paar Hektaren Land zu machen, die notwendig sind, um die EU um die Zuwendungen zu betrügen.

Es hat sich so komisch im Leben gefügt, dass ich – ein klassischer Stadtmensch – zusammen mit meiner Liebsten aufs Land gezogen bin. Es ist zwar kein Rand von Polen, denn es ist nur 20 km weit von der Stadt entfernt, doch schon diese Entfernung reicht, um Probleme mit Internetzugang zu haben, zur Nutzung von Satellitenfernsehen gezwungen zu sein, sich mit den Aussichten darauf, den Ausweg zur Zivilisation im Winter schneefrei zu machen und zu lernen, im Sommer den Geruch von Dünger lieben lernen. Also gut, das Letzte lässt sich nicht machen, aber man kann seine Wahrnehmung einschränken, wenn man stockbesoffen oder  tot ist. Meine bewusste Entscheidung fällt meistens auf die erste Lösung, obwohl es sich nach einiger Zeit in das andere ändern kann.
Ich und meine Gefährtin-im-dörflichen-Leid lieben Tiere. In unserem Anwesen haben wir Hühner, Enten, Katzen, Hunde, sogar einen Esel, der bei uns seine wohl verdiente Pension nach der schweren Arbeit beim verstorbenen Nachbar verbringt.  Wir haben sogar ein Schwein, das so süß als ein Ferkelchen war, jetzt aber mehr als wir beide isst und die Hunde im Hof herum jagt. Wir können es doch nicht essen, denn man darf nicht das essen, wem man vorher einen Namen gegeben hat. Auf diese Weise hat uns Brunhilde in der Hand und kann ruhig das ganze Anwesen terrorisieren. Und obwohl ich jeden Tag mit Unruhe durch das Fenster schaue, um zu prüfen, ob irgendein Tierschutzverein nicht behaupten wird, dass wir zu viel davon haben und wir wie Violetta Villas enden werden, hat meine Frau festgestellt, dass wir noch ein Pferd brauchen!

Von Pferden weiß ich nicht viel. Vielleicht nur, dass sie aus Arabien kommen, Przewalski ein in jedem Zoo auf der Welt und die Autohersteller ziemlich viel von ihnen unter die Motorhaube stopfen können. Ich habe beschlossen, das Gelüst meiner Liebsten als ein Vorwand zum Angriff zu nutzen! Seit längerer Zeit habe ich es überlegt, ein größeres Auto zu kaufen. Ein Bauernhof zu besitzen, bedeutet, dass man immer wieder verschiedene Gegenstände in der Größe des  Eiffelturms befördern muss. Zwar fährt sich der treue Renault Captur ziemlich gut für einen SUV (es ist doch nicht wahr, dass er nur für die Stadt geeignet ist!), doch stellt sich die Aussicht, Brundhilde auf dem Rücksitz zu fahren, nicht besonders attraktiv dar. Deswegen habe ich gleich angedeutet – ok, wir werden ein Pferd haben, aber wir müssen auch einen Lieferwagen kaufen! Meine Frau zeigte sich schlauer, als ich dachte, denn gleich kam ihre Riposte, dass uns ein Pferdetransporter in Form eines Anhängers reicht (sie hat wohl das Thema selbst nachgespürt, ehe sie selbst angegriffen hat), aber nach längeren Verhandlungen ist es uns gelungen, einen Kompromiss zu schließen (er beruhte darauf, dass ich die Erlaubnis für den Kauf eines neuen Lieferwagens erhielt, jedoch im Tausch dagegen, dass ich das leckende Dach in der Garage repariere, mein Erlaubnis für den Kauf des Pferdes gebe und es dann hier bringe – schöner Kompromiss). 

Ich habe gleich meinen befreundeten Vertragshändler von Renault angerufen und ihm erklärt, dass ich einen Wagen zum Transportieren von Tieren brauchen. Ihr werdet es nie raten – er hat mir vorgeschlagen, einen Pferdetransporter zu kaufen! Sogar er gegen mich. Ich habe ihn jedoch schnell überzeugt, dass unser Schwein sich in so einem Fahrzeug nicht wohl fühlen würde, also wenn sie keinen Schweinetransporter haben, dann gerne werde ich weitere Optionen kennenlernen. Kurz danach habe ich schon über die Abmessungen sowohl von Renault Trafic als auch Master gehört. Er hat mich auch mit wunderbaren technischen Beschreibung bezaubert. Aus der durch das Geplapper verursachten Trägheit wurde ich unbewusst durch das von meinem sich nach Eindrücken sehnenden Gehirn vernommenes Wort „Probefahrt“ geweckt. Gerne habe ich einen passenden Termin verabredet und sich die Hände reibend habe ich dann die Leiter und meinen Werkzeugkasten genommen und bin aufs Dach hochgeklettert. 

Am nächsten Tag stand ich schon auf dem Parkplatz vor dem Autosalon von Renault und habe mir die vom Vertragshändler angepriesenen Wunderdinge angeschaut. Er hat mir die technische Beschreibung von Renault Kangoo dargestellt, aber ich habe ihm auf seine Abmessungen hingedeutet und gesagt, dass ich drei Autos von ihm kaufen werde, wenn er damit ein Pferd zu transportieren schafft. Ich habe einmal auf youtube ein Video mit einem Pony in Uno gesehen, aber ich möchte meinen Tieren bessere Bedingungen sichern. Da der Händler meine Wette nicht angenommen hat, standen vor mir schon nach einer Weile Trafic und Master. Der Händler hat wieder ihre technischen Beschreibungen gepriesen und ich habe die ganze Zeit gedacht: Ein Lieferwagen halt. Aus dem Geplapper über den höchsten Sicherheitsstandard usw. habe ich mir nur gemerkt, dass es ein Lieferungswagen ist, der je nach Bedarf von 5 bis zu sogar 9 Personen fahren kann. Das passt mir! Sommerferien an der See mit einer Freundesgruppe, alle in einem Wagen. Er hatte mich! Er hat auch was über die verlängerte Garantie erwähnt, aber ich wollte eher nicht fragen, ob die Garantie auch den Fall umfasst, dass die Polsterung von Schweinen gefressen wird.

Wir sind in beide Modelle eingestiegen und haben die Probefahrten gemacht. Unglaubliche Eindrücke! Na ok, überhaupt nicht. Ich fühlte mich wie ein Kurier oder Umzugshelfer. Vielleicht etwas besser, denn ich hatte eine funktionierende Klimaanlage, gute Audioanlage und sonstige verschiedene Extras. Ich wusste jedoch, dass es hier um eine praktische und nicht romantische Einstellung ging. Um die Freude am Fahren zu empfinden, dafür habe ich meinen Capture und den von meinem Großvater geerbten Motorrad. Ich stand vor einer anderen Wahl. Trafic oder Master? Wenn es um Geräte geht, so war ich nie ein Minimalist. Da Trafic an Stau erinnert und Master einem erlaubt, sich wenigstens hinter dem Lenkrad wie ein Herr zu fühlen, habe ich mich für die größere Option, d.h. Renault Master, entschieden.

Ich bin stolz in den Hof eingefahren und schon eine halbe Stunde später wurde ich dafür zusammengeschissen, dass ich einen Riesenhaufen Eisen gekauft habe; die Hunde haben alle vier Räder angepinkelt und Brunhilde hat zu meinem Bedauern sich entschieden, zu prüfen, wie der Kunststoff der Stoßstange schmeckt. Die verlängerte Garantie… hat der Schlag getroffen. Wenn meine Liebste sich etwas beruhigt hat, hat sie mich informiert, dass wir nächste Woche zu einer Pferdeversteigerung fahren. Sie hat mich in vielerlei Hinsicht schockiert. Erstens gibt es doch allegro, wo man alles online versteigern kann, also es war mir nicht bewusst, dass ich irgendwohin fahren muss. Zweitens war ich mir sicher, dass man Pferde in einem Salon wie Autos verkauft. Obwohl das hat mir bewusst gemacht, dass ich noch nie einen Pferdesalon gesehen habe, nicht nur weil ich in der Stadt gewohnt habe.

Eine Woche voller Anbeißens und Anpinkelns der Karosserieelemente unseres exklusiven Pferdetransportes später waren wir schon auf dem Weg zur vorgenannten Versteigerung. Vor Ort sind viele Menschen herumgezogen, die den Pferden ins Maul geschaut haben. Wortwörtlich! Doch, im Hinblick darauf, dass die Pferde gekauft und nicht geschenkt werden sollten, konnte ich das verstehen. Wir waren bei jedem Züchter, mit ernsten Mienen, als würden ihre Loben uns etwas sagen und für uns irgendwelche Bedeutung haben. Dann haben wir in der Ecke des Saals einen echten Abtrünniger gefunden. Da saß so ein armer Schlucker, ein Durcheinander mit verwirrter Mähne und Traurigkeit auf dem Maul. Meine Geliebte hat gleich festgestellt, dass wir dieses nehmen! Der Züchter hat uns gesagt, dass er es eigentlich zufällig mitgenommen habe, denn es erfülle die Normen der Rasse nicht und eigne sich höchstens zum Pflug. Wir wussten, dass es ideal für uns ist! Wir haben keinen Pflug und auch keine Züchteransprüche, es wird aber unseren komischen Tiergarten ideal vervollständigen. Wer weiß, vielleicht wir es gemeinsame Sprache mit Brunhilde finden und ihr erklären, was sie essen darf und was nicht. Die anderen Versteigerungen beobachtend wusste ich, dass ich unter 10k in einer Versteigerung nicht komme. Nach langen Verhandlungen ist es uns gelungen, für die „minderwertige“ Ware 5 Tausend zu zahlen. So viel Geld für ein Tier, das uns überhaupt keinen finanziellen Gewinn bringen wird. Das Geschäft des Lebens. Die Liebste war überglücklich und schon nach einer Weile haben wir Herman (der Züchter hat es Flicken genannt, aber uns passte dies zu unserer Konzeption nicht, denn wie würde es aussehen: Brunhilde und Flicken?) an dem Leitseil zum Master. 

Neben dem Auto haben wir nur gehört: „Oh! Ihr habt keinen Pferdetransporter?“ aber wir haben kein besonderes Wundern gehört und gar nicht einen Widerstand, wenn wir Herman in den Innenraum von Master zu zwingen versucht haben.

Auf diese Weise unser total sinnloses Anwesen hat sich um 2 neue Mitglieder vergrößert. Änderungen? Brunhilde hat Herman sehr schnell beigebracht, dass er überhaupt nichts machen muss und wir werden ihn trotzdem füttern.  Renault Master hat keine vordere Stoßstange mehr und das Dach leckt wieder, denn… zum Teufel! Ich kann nichts reparieren.

Trotz alledem war es ein schönes Abenteuer.